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Vorbild COA 2025

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Das College of the Atlantic (COA): Unser großes Vorbild

Dieter Steiner & Wolfgang H. Serbser - 2025


Lokalität

Das College of the Atlantic hat seinen Sitz in Bar Harbor auf der gebirgigen, 280 km2 umfassenden Mount Desert Island im Staate Maine, USA. Die Größe der lokalen Bevölkerung auf der Insel beläuft sich auf rund 10’000. Davon leben ungefähr die Hälfte im Städtchen Bar Harbor. 3.5 Millionen Personen besuchen jedes Jahr den Acadia National Park, der einen Drittel der Fläche der Insel einnimmt. Als 14. Nationalpark wurde er zeitgleich mit dem Grand Canyon 1919 gegründet und war der erste Park der östlich des Mississippi lag. Der Campus des COA erstreckt sich über rund 15 Hektar außerhalb der Siedlung entlang der Frenchman Bay, überall nur wenig Schritte vom Ozean entfernt. »Manchmal braucht man bloß einen tiefen Atemzug, und all das Wasser erinnert einen an die unermessliche Weite der Welt,« liest man auf der COA-Website. Nach Borden (2022) ist es der einzige Ort an der Ostküste der USA, an dem Berge und Meer unmittelbar aufeinandertreffen. Im späten 19. Jahrhundert hatte sich die Insel zu einem Sommerurlaubsort für vermögende Familien aus dem Süden wie die Rockefellers, Vanderbilts, Fords, Carnegies etc. entwickelt, die sich luxuriöse Ferienhäuser bauten. Es waren federführend die Familie Rockefeller und der damalige Präsident der Harvard University, Eliot, die ab 1906 das Land für den späteren Nationalpark aufkauften, freilich zunächst mit dem Ziel, dass keine weiteren Familien mehr hier ihre Landsitze errichten können sollten.

Diese Geschichte kam während der Depression und des Zweiten Weltkriegs ins Stocken und dann bei einem großen Waldbrand 1947 zu einem endgültigen Ende: Es blieben zerstörte und noch intakte aber verlassene Gebäude zurück. Einige konnten dann später vom COA übernommen und umgenutzt werden. Dazu gehört The Turrets, ein imposantes Haus mit einer Fassade aus Granit und zylindrischen Türmen. Es war gegen Ende des 19. Jahrhunderts von einem John Josiah Emery – sein Vater hatte mit der Produktion von Kerzen und Seifen ein Vermögen gemacht – als Geschenk an seine 18-jährige Braut gebaut worden (siehe Gold, ca. 2010). Heute dient das Gebäude dem COA als administratives Zentrum und ist in seiner renovierten Form zu einem Symbol des humanökologischen Engagements geworden. Zum anderen hat das COA eine ganze Reihe neuer Häuser selbst erstellt und eingerichtet, nun nach Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten. Heute umfasst das College um die 25 Gebäude. Zur Attraktion des Campus gehören auch majestätische Bäume, versteckte Gärten, alte Steinmauern und ein eigener Bootssteg.

Links: Bar Harbor, Mt. Desert Island, Acadia National Park, Campus 

(Bitte beachten Sie die Hinweise zu externen Links in der Fußnote[1])


Besonderheit

Das COA ist eine einzigartige private Hochschule. »Wir sind anders als alle Colleges, die du bisher kennen gelernt hast,« heißt es auf ihrer Website. Es orientiert sich an der klassischen Idee der Liberal Arts, vermittelt also eine allgemeine Bildung, aber eine, die in zeitgemäßer Weise speziell und umfassend auf die heutige prekäre Situation von Mensch und Mitwelt ausgerichtet ist. Die Schwierigkeit bei den heute angestrebten interdisziplinären Projekten besteht darin, dass häufig Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen zusammenkommen, die Mühe bekunden, eine gemeinsame Sprache zu finden. Das Studium am COA bringt einen demgegenüber dazu, von Anfang an über den Tellerrand der eigenen engeren Interessen hinauszuschauen. Das Konzept, nach dem dies geschieht, heißt Humanökologie. Dabei gibt es für sie keine feste Definition. Natürlich muss sie mit dem Verhältnis von Mensch und Umwelt zu tun haben, nicht nur mit der natürlichen, sondern auch mit der sozialen und der vom Menschen gebauten Umwelt. Innerhalb dieses Rahmens soll aber die genaue Ausrichtung flexibel bleiben, abhängig von den beteiligten Personen mit ihren Perspektiven. Es gibt aber schon ein gemeinsames Verständnis darüber, was das angebotene Programm bewirken soll: Es ist »ein Versuch, den Studierenden zu helfen, die folgenden Ziele zu verfolgen: zu lernen, wie man lernt; zu lernen, wie man mit Komplexität umgeht, sowohl theoretisch als auch praktisch; fähig zu werden, zwischen wichtigen und unwichtigen Themen zu unterscheiden; zu lernen, wie man Veränderungen bewirkt, oder, um den Philosophen Alfred North Whitehead zu umschreiben, zu lernen, wie man Ordnung im Wandel bewahrt und Wandel in der Ordnung erzielt; und um Wege zu finden, die menschliche Situation in der natürlichen und der vom Menschen geschaffenen Umwelt zu verbessern« (Rabineau und Borden 1989: 2). Zusammenfassend kann man sagen: Es geht nicht nur um Wissensvermittlung, sondern ebenso sehr um Persönlichkeitsbildung.

Links: Mission & History, Environmental Commitment


Größe, Finanzierung

Das College wurde 1969 im Zuge einer privaten Initiative gegründet und nahm 1972 seinen Betrieb mit 32 Studierenden und 4 Lehrkräften auf. Bis heute sind diese Zahlen auf rund 350 Studierende und 35 Hauptamtliche Lehrkräfte gestiegen. Hinzukommen assoziierte Lehrkräfte, weltweit einzigartige Forschungslabors, wie Allied Whale, Kooperationen mit Unternehmen und dem umliegenden Hancock County und natürlich all den Kräften, die den alltäglichen Betrieb am Laufen halten. Aber auch die Studierenden nehmen viele dieser Aufgaben ganz unmittelbar wahr. Das Ziel ist aber, eine kleine, überschaubare Hochschule zu bleiben, in der die Studierenden nicht in Anonymität versinken, sondern zu jeder Zeit die nötige Beratung und Betreuung erhalten können. Seit Beginn bis heute wird denn auch ein 10 zu 1-Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden angestrebt, um eine immer gute Betreuung gewährleisten zu können. Ungefähr je zur Hälfte stammen die Studierenden aus den USA und aus dem Ausland. Das College finanziert sich über Studiengebühren und Beiträge von Individuen (gut situierte Sponsoren, nach üblicher amerikanischer Sitte vor allem aber auch Alumni und Alumnae), Firmen und Stiftungen. Die staatliche Unterstützung beschränkt sich auf eine gewisse Hilfe für die Studierenden und eine Unterstützung bei der Entwicklung neuer Programme. Ein Kuratorium (Board of Trustees) steht beratend zur Seite, entwickelt Vernetzungen nach aussen und kontaktiert mögliche Sponsoren.


Studium: Allgemeines

Ein Studienjahr umfasst drei um die 70 Tage dauernde Trimester. Das erste beginnt Mitte September, das zweite anfangs Januar und das dritte Ende März. Ein vierjähriges Studium führt zu einem Bachelor or Arts in Human Ecology, ein zweijähriges Zusatzstudium zu einem Master of Philosophy in Human Ecology. Das Studium ist völlig interdisziplinär und kann dabei auf die Angebote der drei Richtungen Environmental Sciences, Human Studies und Arts and Design zurückgreifen. Die Studierenden müssen dabei kein disziplinäres Hauptfach wählen, sondern können, mit Ausnahme gewisser Grunderfordernisse, selbst ihr Studienprogramm zusammenstellen. »Die Welt ist nicht in Hauptfächer aufgeteilt. Auch das College of the Atlantic ist es nicht.« So lautet ein Slogan der Institution. Entsprechend ist die Fakultät auch nicht in disziplinär orientierte Untereinheiten gegliedert. Zu den studentischen Pflichten gehören der Besuch eines umfassenden Grundkurses und von je zwei Kursen in den oben genannten drei Richtungen, ein elfwöchiges Praktikum bei einer Institution außerhalb des Campus (Firma, NGO, Schule etc.), 40 Stunden gemeinnützige Art, ein schriftliches kleineres argumentatives oder narratives Essay über das eigene persönliche Verständnis von Humanökologie (siehe dazu die beispielhafte Sammlung von Essays) und eine schriftliche größere Schlussarbeit (Senior Project. Siehe als Beispiele die drei Arbeiten von Lisa Bierke, Emily Peterson und Anna K. Stunkel). Die Studierenden des ersten Jahres leben und wohnen zumeist auf dem Campus, die Älteren können sich eine Unterkunft in Bar Harbor besorgen. Links: Basics, Human Ecology Degree, Internships, Faculty, Graduate Program. Die Grafik einer COA Studienplan-Pyramide (in Deutsch) findet sich unter Aufruf 2015 auf der COHE-Website.


Studium: Thematische Beispiele

Bei den vielen Kursen, die auf dem Programm stehen – es sind deren mehr als 250, wobei natürlich nicht alle jedes Jahr angeboten werden (Link: Courses) – können Studierende in Gefahr geraten, sich zu verlieren. Um ihnen Ideen zu vermitteln, werden deshalb Gruppen von Kursen als mögliche Studiengebiete vorgeschlagen. Beispiele sind:

  • Marine Science: Es ist wohl naheliegend, dass das am Meer gelegene COA Studienmöglichkeiten zu dessen Erforschung anbietet. Es gibt Kurse u.a. über Ozeanographie, Meeresbiologie, Umweltchemie, Ornithologie und marine Säugetiere. Im letzteren Fall spielt die Forschungseinrichtung Allied Whale eine Rolle, die schon 1972 gegründet wurde. Auf einer kleinen Insel gibt es eine Beobachtungsstation. Hier ist es gelungen, individuelle Wale zu identifizieren und bei einer Rückkehr wieder zu erkennen. Links: Marine Science, Allied Whale
  • Field Ecology and Natural History: Das zu studierende Leben findet draußen statt, nicht im Labor oder in der Bibliothek. So dienen Feldstudien dem Studium von Organismen in ihrer Umwelt. Dabei gibt es auch Kooperationen mit dem oben erwähnten Acadia National Park. Es stehen immer die Lebewesen in ihrer Gänze und Lebenswelt im Vordergrund, Kurse über z.B. Genetik bilden einen ergänzenden Hintergrund. Auf zwei Inseln unterhält das College Forschungsstationen. Hier kann das Verhalten von Seevögeln beobachtet werden. Vor Jahren sind vorher verschwundene Vögel wie z.B. die Küstenseeschwalbe wieder angesiedelt worden. Link: Field Ecology & Natural History
  • Farming and Food Systems: Aus dem ganzen Spektrum des Ernährungs-Systems können hier Kurse von der lokalen Produktion bis zur Lebensmittel-Politik und zum Welthandel ausgewählt werden. Auf der praktischen Seite sind Arbeiten auf zwei biologisch orientierten Farmen möglich, die dem College gehören. Hier können Kenntnisse über das Farm-Management, aber auch über Permakultur, biologischen Gartenbau usw. gewonnen werden. Die landwirtschaftliche Produktion liefert die Lebensmittel und Rohstoffe für die Cafeteria und Mensa des Colleges und weitere Restaurants auf der Insel, die aus Studierendenprojekten hervorgegangen sind. Dem College hat dies zum Ruf verholfen. weit und breit das beste Essen anzubieten. Link: Farming & Food Systems
  • Climate Change and Energy: Bezüglich der Wissensvermittlung stehen hier die Ursachen für den Klimawandel und die Mathematik und Physik erneuerbarer Energiequellen, aber auch Aspekte der globalen Umweltpolitik, der Klimagerechtigkeit und des Umweltrechtes im Fokus. Praktische Elemente finden sich auf der technischen Seite in der Installation von Solarzellen und Windturbinen, auf der politischen in der Möglichkeit, an Treffen der UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) teilzunehmen. Link: Climate Change & Energy
  • Community Planning and Ecological Policy: Wie können Gemeinschaften eine gesunde und nachhaltige Zukunft schaffen? ist hier die grundlegende Frage. Es gibt Kurse in gemeinschaftlicher Planung und Entscheidungsfindung, in Landnutzungsplanung und nachhaltiger Wirtschaft. Dabei werden Geographische Informationssysteme (GIS) nicht nur genutzt sondern auch in Zusammenarbeit mit dem Hersteller weiter entwickelt. So sind zusammen mit den Studierenden in den letzten Jahren die kartographischen Grundlagen für den Nationalpark und den Hancock County erarbeitet worden und heute Basis der Umwelt-, Stadt- und Regionalplanung. Auf der Basis dieser Grundlagen können die Studierenden bei Projekten außerhalb des Campus mitwirken. Link: Community Planning and Ecological Policy
  • Mind, Meaning and Consciousness: Hier werden grundlegende Fragen über die Bedingungen und den Sinn menschlichen Lebens auf dem Planeten Erde gestellt. Wie werden sie in der Psychologie, der Philosophie, der Religion, der Literatur behandelt? Kursthemen sind z.B. Psychologie der Natur; Philosophien der Liebe; Eine Geschichte Gottes: Mystik, Metaphysik, Politik und Natur; Literatur, Wissenschaft und Spiritualität. Link: Mind, Meaning & Consciousness
  • Educational Studies: Als Ausgangspunkt dient hier die Frage: Wie kommt es, dass so viele Menschen Erziehung und Bildung als konformistisch und rigide erleben? Dabei sollte Lernen uns doch von eingeengten Sichtweisen von uns selbst und der Welt befreien! Deshalb wird auf Unterrichtsprojekte im informellen Umfeld im Freien aber auch in Museen, Institutionen usw. besonderer Wert gelegt. An den Unterrichtsprojekten wirken häufig ortsansässige Lehrerinnen und Lehrer mit. Das COA-Programm wird vom Erziehungsdepartement des Staates Maine anerkannt, so dass es möglich ist, das Zertifikat für den Unterricht in der Primar- und Sekundarschulstufe zu erwerben. Link: Educational Studies/


Kursgestaltung

In der Kursgestaltung wird darauf geachtet, dass die Anzahl der Studierenden pro Kurs klein bleibt. Die Form der Lehre verzichtet auf Frontalvorlesungen. Sie hat den Stil von Teamunterricht, von Seminaren oder von Tutorials. Ein spezielles Angebot ist die Möglichkeit, ein Trimester im Ausland zu verbringen. Zwei Programme, in Yucatán (Mexiko) und in Frankreich, sind Standard, weitere werden von Zeit zu Zeit aktiviert. Im ersteren Fall stehen im vorangehenden Trimester ein Sprachkurs und Informationen über das Land im Program. Man kann sich vorstellen, dass dies alles für eine angeregte Atmosphäre sorgt. »Das Engagement und die Begeisterung der Studierenden … ist bemerkenswert,« sagen denn auch Rabineau + Borden (1989, 3). Link: Study Abroad


Demokratische Organisation

Bei der Planung des College schrieb der damalige Präsident, Ed Kaelber: »Die derzeitige Enttäuschung über die Bildung auf dem Undergraduate-Niveau ist zu einem großen Teil auf die gestörte Kommunikation zwischen Verwaltung, Lehrkräften und Studierenden zurückzuführen. Allzu oft sind die Kanäle eingefroren: Das Kuratorium hat mit der Verwaltung gesprochen, diese wiederum mit den Lehrkräften, diese wiederum mit den Studierenden. Das Zuhören ist zu einer Einbahnstraße geworden, und viele haben es einfach aufgegeben.« Von Anfang an wurde deshalb die Organisation des College-Betriebs auf völlig demokratische Füße gestellt. Lehrkräfte, administrative und technisches Personal und Studierende entscheiden in gemischten Komitees gemeinsam über Änderungen des Studienangebotes, Anstellung neuer Lehrkräfte und Fragen, die den Unterhalt von Gebäuden und technischen Einrichtungen betreffen. Zur offenen Haltung gehört auch, dass bei aller Diversität der Herkunft der Beteiligten Gleichheit und Inklusion angestrebt wird. Eine tägliche Routine ist hierbei das Students Meeting at Noon in der Dining Hall die nicht umsonst nach Ed Kaelber benannt ist. Links: Administration, College Governance/, Diversity, Equity & Inclusion


Berufliche Aussichten

»Mit einem Abschluss vom COA kann deine berufliche Ausrichtung fast beliebiger Art sein,« steht auf der Website. Über die Jahre hat sich die folgende prozentuale Verteilung ergeben (Link: COA Degrees in Action):

19 Wirtschaft (Geschäft, Handel, Industrie)

18 Bildung

14 Kunst und Gestaltung

12 Wissenschaften (hauptsächlich Naturwissenschaften)

11 Öffentliche Dienste (Recht, Politik, soziale Dienste)

 6  Gesundheitswesen

 6  Ingenieurwesen, Technologie, Architektur

 5  Kommunikation

 5  Gastgewerbe

 5  Landwirtschaft, Gartenbau


Nachhaltigkeit

Das COA bemüht sich auch um Nachhaltigkeit in seinem eigenen Betrieb. 2007 war das College die erste amerikanische Hochschule, die den Status »Kohlendioxid-neutral« ankündigen konnte. Die Nutzung fossiler Energie soll bis 2030 gänzlich eliminiert werden. Die neueren Gebäude sind aus Recyclingmaterial gebaut, verwenden passive Solartechniken und/oder Heizungen auf lokaler, erneuerbarer Energiebasis (z.B. Holzpellets), nützen nach Möglichkeit das natürliche Licht aus, sind zur Eindämmung des Wasserverbrauchs mit Trockentoiletten ausgerüstet und brauchen das Abwasser von den Duschen zum Vorheizen von Wasser für das Heißwassersystem. Essens-Überreste werden kompostiert oder als Futter für die Schweine und Hühner auf einer der Farmen verwendet. Damit gibt es keine Lebensmittel-Verschwendung. Das Grün des Campus wird mit biologischen Methoden unterhalten, und ein ebenso betreuter Gemeinschaftsgarten steht auch den College-Nachbarn zur Verfügung. The Princeton Review, ein Unternehmen, das Hochschulen berät, standardisierte Aufnahmetests entwickelt, aber auch Ranglisten erstellt, führt eine Liste der 50 am nachhaltigsten orientierten Colleges in den USA, und hat im Herbst 2024 zum neunten Mal in Folge das COA zum grünsten College in den USA erkoren.

Links: Environmental Commitment, Rankings & Accolades


Mitglied der EcoLeague

Die EcoLeague ist ein Konsortium von sechs Liberal Arts-Colleges in den USA, die sich für Umweltverantwortung und gesellschaftlichen Wandel engagieren und entsprechend den Studierenden ein Bildungsprogramm anbieten, das diese zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft befähigen soll. Das COA gehört dazu. Die übrigen fünf Colleges sind die folgenden:

Alaska Pacific University, Anchorage, AK

Dickinson College, Carlisle, PA

New College of Florida, Sarasota, FL

Northland College, Ashland, WI

Prescott College, Prescott, AZ

Zwischen diesen Colleges ist ein zeitlich beschränkter Austausch von Studierenden möglich. Link: EcoLeague


Schlussfolgerung

Von Steve Katona, einem früheren COA-Präsidenten, stammt die Aussage: »Leute sagen mir, ›oh, ihr seid wirklich einzigartig‹. Ja, das sind wir, aber ich hoffe, dass wir nicht für immer einzigartig bleiben, denn wir sind viel zu klein, um alle Probleme lösen zu können« (Clark 1997, 6). Mit anderen Worten: Wenn wir eine schwer verkraftbare Zukunft vermeiden wollen, muss es eigentlich eine global flächendeckende Verbreitung von Colleges des Typs COA geben!


Dokumentation

Websites

COA: https://www.coa.edu/

Ecoleague: https://ecoleague.org/

Literatur

Clark, Jeff (1997). Learning to Ask the Right Questions. Down East Magazine, Mai, 6 S.

Borden, Richard J. (1989). An International Overview of the Origins of Human Ecology and the Restructuring of Higher Education: On Defining an Evolving Process. In Charles Susanne, Luc Hens und Dimitri Devuyst (Eds). Integration of Environmental Education into General University Teaching in Europe, 297-309. UNESCO-UNEP International Environmental Education Programme (IEEP) und Vrije Universiteit Brussel, Brüssel.

College of the Atlantic (2015). 2015 Viewbook: Welcome & Overview / Academics / Community / Life After COA / Getting In (Admission). 64 S.

Gold, Donna (ca. 2010). The Turrets. College of the Atlantic, Bar Harbor, Maine.

Kaelber, Ed (1970). College of the Atlantic, Mount Desert Island, Maine. College of the Atlantic, Bar Harbor, ME.

Rabineau, Louis & Richard Borden (1989). Human ecology and education: The founding, growth and influence of College of the Atlantic. Paper, IX Commonwealth Human Ecology Council Conference, Edinburgh 1989. 10 p. College of the Atlantic, Bar Harbor, ME.

Serbser, Wolfgang H, & Bernhard Glaeser (2007). Interdisziplinäre Integration. Mensch und Natur in Einklang bringen. GAIA 16(2), 153-154.

Serbser, Wolfgang H. & Jadranka Mrzljak (2006). A College of the Atlantic for Europe. GAIA 15(4), 307-309.

Steiner, Dieter und Corine Mauch (1998). Bildung und Kommunikation als Schlüsselelemente einer zukunftsgerichteten Humanökologie. Eindrücke von der 9. Internationalen Konferenz der Society for Human Ecology (SHE), Bar Harbor, Maine, USA, 15. bis 18. Oktober 1997. GAIA 7/1), 67-72.

Vorträge auf Video

Borden, Richard J., Kenneth Hill, Jay McNally, Pietro Cascia & Sara Löwgren (2021). Building a College of Human Ecology: Reflections on the 50-Year History of College of the Atlantic. SHE Conference XXIV, Petrolina/Juazeiro, Brasilien (Online). Videoaufzeichnung

Borden, Richard (2022). 50 years’ experience in human ecology. Keynote, Teil 1. COHE-Konferenz Facing the Future: Human Ecology and Higher Education, in Potsdam, 2. September (Hybrid). Videoaufzeichnung

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Zur Humanoekologie 2025

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Zur Humanökologie

Dieter Steiner & Wolfgang H. Serbser - 2025

Was ist Humanökologie?

Wenn wir fragen: Was ist Physik? Was ist Biologie? Was ist Soziologie? Was ist Psychologie? dann bekommen wir in jedem Fall eine Antwort, die erkennen lässt, dass das fragliche Wissensgebiet sich innerhalb definierter Grenzen mit bestimmten Aspekten dieser Welt befasst. Nicht so, wenn wir die Frage: Was ist Humanökologie? stellen, denn diese ist in Deutschland und teilweise auch in Europa kein allgemein anerkanntes Fach im akademischen Kanon. Auch wenn das außerhalb Europas zumeist anders aussieht, hat das vermutlich damit zu tun, dass sie ein Betätigungsfeld ist, das sich im Gegensatz zu den oben beispielhaft genannten Disziplinen nicht so einfach in einer Schublade ablegen lässt. Dabei vermittelt der Name »Humanökologie« an sich klar, dass es hier um die Beziehungen der Menschen zu ihrer Umwelt gehen muss. Die große Frage ist aber, wie diese Beziehungen untersucht werden sollen oder können, denn wir haben es hier mit einer äußerst komplexen Situation zu tun. Es geht nicht nur um das Verhältnis des einzelnen Menschen zu seiner natürlichen Umwelt, sondern auch zur sozialen Umgebung inklusive der vom Menschen gebauten Umwelt und darüber hinaus zu seinem eigenen Inneren. Gleichzeitig muss auf höherer Ebene die Beziehung der ganzen menschlichen Gesellschaft zur Natur ins Blickfeld kommen. So gesehen hat Humanökologie eigentlich mit allem zu tun, was auf diesem Planeten unter Mitwirkung der Menschen geschieht oder was umgekehrt natürlichen Ursprungs ist und das menschliche Leben beeinflusst. Wissenschaftlich gesehen ist sie deshalb interdisziplinär ausgerichtet, muss aber je nach dem Grad von Ganzheitlichkeit, den sie anstrebt, grenzüberschreitend einerseits in philosophische Gefilde vorstoßen, andererseits im Sinne einer Transdisziplinarität sich mit außerakademischem praktischem, z.B. indigenem oder alltagsweltlichem Wissen befassen (siehe Unuigbe 2023). Dabei geht die Humanökologie von einem Weltbild aus, das den Menschen in seiner Verantwortung als respektvollen Mitgestalter, nicht als Beherrscher und rücksichtslosen Manipulator der irdischen Ökologie sieht und entsprechend an sein Handeln appelliert.


»Neue Humanökologie«

Die heutige Humanökologie ist ein Kind der Besorgnis über die sich als Folge menschlichen Tuns stetig verschlechternden Lebensgrundlagen auf diesem Planeten. Zwar hatte es schon länger warnende Stimmen gegeben, aber zu einem eigentlichen Aufbruch kam es erst mit dem epochemachenden Buch Der stumme Frühling von Rachel Carson (1963), dem ebensolchen Club of Rome-Bericht Grenzen des Wachstums (Meadows u.a. 1972), dem ersten, von 20 Millionen Menschen gefeierten Earth Day in den USA 1970 und der ersten Umweltkonferenz der UNO in Stockholm 1972. Es bildeten sich umweltorientierte soziale Bewegungen und Nichtregierungs-Organisationen und an einigen Hochschulen, auch in Europa, wurden Studienangebote in Humanökologie eingeführt. Zudem entstanden in etablierten humanwissenschaftlichen Disziplinen auf die Mensch-Umwelt-Beziehung fokussierte Spezialrichtungen, so schon früh die Umweltmedizin und die Umweltökonomie, dann die Umweltpsychologie, die Umweltphilosophie und, mit einiger Verspätung, die Umweltsoziologie. Damit ergaben sich zum Teil fruchtbare Verbindungen zur Humanökologie, zum Teil aber blieben diese Darstellungen innerhalb ihrer disziplinärer Grenzen gefangen. Die heutige Humanökologie befasst sich neben der Aufdeckung und Kritik von sozial und umweltbezogenen Schäden unserer Aktivitäten inzwischen vermehrt mit der Frage, wie ein gesellschaftlicher Wandel, der zu einer positiven schadenfreien oder mindestens schadenminimierenden Zukunft führt, initiiert und gestaltet werden kann. Wichtige Stoßrichtungen für eine Humanökologie, die sich der heutigen Probleme annehmen möchte, sind in der Manchester-Deklaration von 2009 aufgelistet.


Was ist mit der nachhaltigen Entwicklung?

Die Frage liegt nahe: Warum machen wir Werbung für eine Humanökologie, wenn nun doch hinsichtlich der ökologischen Krise, in der wir heute stecken, überall, auch an den Hochschulen, dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung gefolgt wird? Die Antwort steckt schon im letzten Satz des ersten Abschnitts. Das Grundproblem ist, dass es sich dabei nicht um ein ökologisches, sondern ein ökonomielastiges Konzept handelt. Wie das, wenn im bekannten Dreisäulenmodell mit den Bereichen Ökologisches, Soziales und Ökonomisches doch eine Gleichwertigkeit postuliert wird? Schon wenn diese eingehalten würde, besteht ein Problem, das nur wenigen auffällt. Klaus Michael Meyer-Abich (2003, 179-180) hat es festgehalten: »Der Fehler des Dreisäulentheorems besteht … darin, (1) das Ganze der Natur, (2) einen Teil dieses Ganzen, nämlich die menschlichen Gesellschaften, und (3) ein Teil dieses Teils, nämlich deren Wirtschaften für die Interessenabwägung gleich zu gewichten. Sachgemäß wäre stattdessen eine Nachordnung der Teile unter ihr Ganzes!« Dazu kommt, dass in Konfliktfällen die Tendenz besteht, den ökonomischen Interessen einen Vorrang zu gewähren. Weiter steckt im Begriff »Entwicklung« immer noch die Wachstumsidee, wie es ja auch in Nr. 8 der von der UN verfolgten Ziele der nachhaltigen Entwicklung zum Ausdruck kommt: »Dauerhaftes, breitenwirk­sames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.« Wohlverstanden, natürlich können einzelne Branchen wachsen und andere schrumpfen. Höchst problematisch ist aber die Vorstellung, die Wirtschaft insgesamt müsse ständig wachsen und dabei immer mehr Ressourcen akkumulieren. Und natürlich gibt es Firmen, die sich zu einer echt nachhaltigen Funktionsweise durchgerungen haben. Dominant sind aber leider immer noch Großkonzerne und Investoren, die einer fossil getriebenen und ressourcenverschlingenden Industriegesellschaft verhaftet sind, wie sie sich vor allem im 20. Jahrhundert immer mehr ausgebreitet hat. Hier werden Machtpositionen anvisiert, die die Kontrolle über die Geschehnisse auf diesem Planeten ermöglichen, was gleichzeitig bedeutet, dass die Rücksicht auf menschenrechtliche und umweltschonende Standards weitgehend ausgeblendet wird. Natürlich gibt es im Bildungswesen, das sich ganz dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung verschrieben hat, engagierte Lehrkräfte, die es in humanökologischem Sinne interpretieren. Das Problem entsteht dort, wo das Verständnis von »business as usual, jetzt einfach nachhaltig«, die Oberhand hat. So lange diese Auffassung dominiert, ist das Ganze eine Mogelpackung, die ein illustratives Beispiel für den unten angesprochenen Kopfstand unserer Zivilisation ist.


»Klassische Humanökologie«

Neben der genannten neueren Entwicklung der Humanökologie gab es vorher schon eine »klassische Humanökologie«, die insbesondere in der Soziologie und in den verschiedenen Forschungs- und Lehrdisziplinen im sogenannten Social Science Building an der University of Chicago eine wichtige Rolle spielte (vgl. Serbser 2004a). Die klassische Phase dauerte von etwa 1909 bis 1940, hatte aber Vorläufer und Nachfolger und wurde auch begleitet von Repräsentanten der Sozialphilosophie und Sozialpsychologie (zur gesamten Geschichte siehe Serbser 2021). Es ging in erster Linie um das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen in einem sozial sehr diversen Gemeinwesen unter den damaligen Verhältnissen. Chicago diente dabei als »Reallabor« für die Untersuchung der sozialen Probleme, die sich aus dem Nebeneinander von Einwohnern verschiedenen Standes und von Einwanderern unterschiedlichster Herkunft ergaben. Die herausragende Figur war Robert E. Park (siehe dazu Serbser 2004b). Er knüpfte an Darwins Evolutionstheorie an, um zu zeigen, dass menschliche Gesellschaften nicht der Natur gegenüberstehende Gebilde sind, sondern Teile des irdischen Ökosystems. Er untersuchte, ob das in der Evolution eine Rolle spielende Prinzip der struggle for existence auch im menschlichen Kontext noch eine Rolle spielt. Sein Resultat: Es gibt eine biotische Substruktur, in der urtümliches Konkurrenzverhalten noch aktuell ist und eine Komponente des ökonomischen Verhaltens darstellt. Darüber aber herrscht eine kulturelle Superstruktur, die mittels expliziten Gesetzen und Vorschriften und implizitem Brauchtum allzu freiheitliches Tun eindämmt und in Bahnen von Vermittlung, Kooperation und Inklusion zu lenken vermag (zu Parks Bedeutung für die Humanökologie siehe die Sammlung seiner Schriften in Park 1952). Ebenfalls in den USA gab es seit ca. 1900 an verschiedenen Hochschulen Studienangebote für Hauswirtschaft, Home Economics. Mit der Zeit wurde klar, dass es sich hier um Humanökologie im Kleinmaßstab, um Familienökologie handelt, und der damit befasste Wissenschaftszweig wurde in Human Ecology umbenannt (siehe dazu Bubolz 1991). Uri Bronfenbrenner (1981) hat speziell untersucht, wie sich Familienmitglieder durch interne und externe Interaktionen psychisch entwickeln. Schließlich reicht in der Kulturanthropologie die Beschäftigung mit der Frage, welche Rolle die Kultur in der Auseinandersetzung des Menschen mit seiner natürlichen Umwelt spielt, weit zurück zum Deutschamerikaner Franz Boas (siehe Boas 1938). In neuerer Zeit ist für diesen Problemkreis der Begriff »Kulturökologie« geprägt worden (siehe Bargatzki 1986).


Wie groß ist die Resilienz der Erde?

In der heutigen Situation ist eine essenzielle Frage die nach der Tragfähigkeit der Erde. Dabei spielt natürlich die Größe der Weltbevölkerung eine Rolle, vor allem aber die Umweltbelastung durch den exorbitanten Konsum des westlich geprägten Teils von ihr. Mit der Rede vom »Teil« wird somit auch an die in reichen und armen Ländern resultierende Ungleichverteilung erinnert. Es liegt nahe, dass sich ein Teil der Humanökologie mit den damit zusammenhängenden Fragen beschäftigt, insbesondere mit der Umweltdegradierung durch den Ressourcenverbrauch und die Abfallproduktion. Als Beispiele seien die Bücher von Paul R. Ehrlich u.a. (1975) und von Wolfgang Nentwig (2005) genannt. Im letzteren Fall lauten die Kapitelüberschriften typischerweise: Bevölkerung, Nahrung, Energie, Rohstoffe, Abfall, Ökobilanz, Umweltbelastung durch Chemikalien, Beeinflussung von Atmosphäre und Klima und Veränderung der Umwelt. Man könnte die Anstrengungen dieser Art als vordergründige Humanökologie bezeichnen, insofern dabei der Hintergrund der verursachenden gesellschaftlichen Faktoren nicht angesprochen oder nur am Rande erwähnt wird. Hier geht Stephen Boyden (1987) mit seiner evolutionären Betrachtung einen Schritt weiter: Sein Ausgangspunkt ist die biologische Evolution, von der der Mensch eine Kapazität für Kultur bekommen hat, die es ihm ermöglichte, aus biologischen Engpässen herauszuwachsen, gleichzeitig aber unter Umständen auch die eigenen Lebensgrundlagen zu schädigen. Boyden nennt als Beispiel die sich entwickelnde Techniksucht (technoaddiction), die zu einem wachsenden extrasomatischen materiellen Stoffwechsel (technometabolism) und zu Abfallbergen geführt hat. Mit all unseren Beanspruchungen der irdischen Gegebenheiten sind wir heute daran, planetare Grenzen zu überschreiten, womit wir das Risiko eingehen, an Kipppunkten massive negative Veränderungen auszulösen (z.B. rapider Zerfall des restlichen Regenwaldes in Amazonien) (siehe Rockström u.a. 2023).


Evolutionäre Perspektive: Kopfstand unserer Zivilisation

Es ist natürlich möglich, dass eine schadenverursachende Technik durch eine sanftere oder gar harmlose ersetzt werden kann. Die schnell beschlossene korrigierende Reaktion auf das Auftreten der polaren Ozonlöcher ist ein Beispiel. Leider ist das aber eine Ausnahme. Bei unserem gegenwärtigen größten Problem, dem Klimawandel, scheinen wir nicht in der Lage zu sein, die CO2-Emissionen schnell genug signifikant zu senken. Einige Länder wie Deutschland sind auf gutem Weg, aber global gesehen hat der CO2-Ausstoß 2023 ein neues Maximum erreicht. Eine engagierte Humanökologie muss also die hinderlichen gesellschaftlichen Zustände unter die Lupe nehmen. Sie kann bei Boydens evolutionärer Perspektive anschließen, muss sie aber ausweiten. Wir können uns eine menschliche Gesellschaft als durch drei maßgebliche Bereiche aufgebaut vorstellen. Unten haben wir den ökonomischen Bereich, der die Versorgung mit der Natur entnommenen materiellen Gütern gewährleistet, oben den kulturellen Bereich, der uns Orientierung vermittelt, heute mittels Religion, Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Bildung, und dazwischen den sozio-politischen Bereich, der das menschliche Zusammenleben formt und regelt. Der materielle Fluss von unten nach oben hat einen konstitutiven, der geistige Fluss von oben nach unten einen regulativen Charakter. Soll ein menschliches Kollektiv längerfristig überlebensfähig sein, muss der letztere Fluss von einer Orientierung am Geschehen in der Natur gespeist sein. Das ist aber heute nicht bzw. nicht mehr der Fall. Im Laufe der kulturellen Evolution gab es einen im späten Neolithikum beginnenden Wechsel von überschaubaren Gemeinschaften – zuerst Gruppen von Wildbeutern, dann Dorfgemeinschaften mit Gartenbau – zu wachsenden Gesellschaften mit städtischen Zentren und politischen Institutionen (Paradebeispiel Mesopotamien, siehe Serbser 2008). Bis heute ist daraus eine globalisierte ökonomische Gesellschaft mit allseitigem Handel und einer entfesselten Geldwirtschaft geworden. Ein sich keine Grenzen setzendes wirtschaftliches Profitdenken dominiert unsere ganze Zivilisation. Dies war schon bei der oben beschriebenen Chicagoer Humanökologie unter der Bezeichnung robber baron economy ein Thema! Diese Entwicklung hatte auch zur Folge, dass der Fokus der Orientierung, der einmal seinen Platz im kulturellen Bereich hatte und sich nach dem Naturgeschehen richtete, heute von der Ökonomie bestimmt wird. Im Resultat bedeutet dies, dass  unsere Zivilisation auf dem Kopf steht und damit die Bodenhaftung verloren hat (siehe Steiner 2008 & Steiner 2021, Video). Entsprechend ist auch schon von der »hors sol-Gesellschaft[1] »gesprochen worden.


Radikale Humanökologie

In diesem evolutionären Geschehen werden üblicherweise zwei Revolutionen unterschieden, die landwirtschaftliche im Neolithikum und die industrielle mit Beginn im 18. Jahrhundert. Meist unbeachtet – Ausnahme die feministisch geprägte Literatur – bleibt ein Übergang, den man als Genderrevolution bezeichnen kann, der Wandel von egalitären bis matrizentrischen Gemeinschaften zu patriarchalen, also männerbeherrschten Gesellschaften. Dieser begann regional unterschiedlich im Neolithikum und hatte Ausläufer bis in die Bronzezeit (siehe Meier-Seethaler 2011). Als Resultat sind bis heute unsere gesellschaftlichen Strukturen, insbesondere die ökonomischen, männlich geprägt. Dies ist eine der grundlegendsten Ursachen für unsere heutigen Probleme. Wollen wir bezüglich der Umweltdegradierung nicht einfach nur Symptombekämpfung betreiben – wie es eben häufig im Bereich des Konzeptes der oben genannten nachhaltigen Entwicklung der Fall ist – muss die Änderung der Strukturen ins Auge gefasst werden, insgesamt die Zivilisation wieder auf die Füße gestellt werden. Overshoot will end, either by design or disaster, heißt es jeweils in den Mitteilungen des Global Footprint Network, zu Deutsch etwa: »Die Erdüberlastung wird zu einem Ende kommen, entweder durch unsere Planung oder durch eine Katastrophe.« Wollen wir die erstere ansteuern und die letztere vermeiden, brauchen wir eine Kombination von enormen politischen Anstrengungen oben mit massivem Druck von unten. In erster Linie muss die Art und Weise, wie das seit der Industrialisierung vorherrschende Wirtschaftssystem funktioniert, eine grundlegende Änderung erfahren. Einem vorangehenden Bewusstseinswandel und damit einer wegleitenden Bildung kommt dabei eine entscheidende Funktion zu. Die Humanökologie, die sich mit Fragen in diesem Bereich beschäftigt und engagiert, nennt sich »radikal« (siehe dazu Williams u.a. 2012).


Der humanökologische Zugang zur Welt

Garret Hardin (1985) hat die Humanökologie als konservativ und gleichzeitig als subversiv bezeichnet. Das tönt paradox, aber natürlich beziehen sich die beiden Attribute auf zwei verschiedene Bereiche. Indem sie sich für die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen einsetzt, ist sie konservativ, in der Überzeugung, dass dazu das Funktionieren unserer Zivilisation geändert werden muss, subversiv. Im letzteren Sinne listet Gerald Young (1991) eine Reihe von Eigenschaften der Humanökologie auf, die er »leicht ketzerisch« nennt. Gemeint ist dies im Vergleich zum normalen Wissenschaftsbetrieb. Betrachten wir zusammenfassend einige wichtige Aspekte. Wie schon aus dem ersten Absatz hervorgeht, hat die Humanökologie den Anspruch, die Welt verbindend, integrativ, synthetisch bis holistisch zu betrachten (siehe dazu Steiner & Nauser 1993), wobei aber natürlich teilweise reduktionistische Perspektiven zwecks Analyse nicht ausgeschlossen sind. Die Humanökologie treibenden Forscherinnen und Forscher sollen dies in einem humanistischen und anthropozentrischen Sinne tun. Mit »humanistisch« ist eine Einstellung gemeint, die vom ganzen Menschen ausgeht. Dieser ist nicht nur ein rational denkendes, sondern auch ein von Gefühlen und Intuitionen angeleitetes Wesen. »Anthropozentrisch« bedeutet hier natürlich nicht, dass der Mensch sich selbst als Krone der Schöpfung betrachtet, sondern die Einsicht, dass er seinen Anlagen entsprechend eine eingeschränkte Erkenntnisfähigkeit hat. Dieser Zustand kann aber – was Young allerdings nicht empfiehlt – tiefenökologisch aufgeweicht werden, indem im Sinne von Arne Naess (1989) versucht wird, das eigene Selbst auszuweiten und Komponenten der Umwelt, mit denen man in Beziehung steht, gewissermaßen als Teile von sich selbst zu betrachten. Dies gibt dem Verhältnis zur Welt einen spirituellen Anstrich.


Alternative Wissenschaft

Eine humanistisch-anthropozentrische Einstellung im obigen Sinne hat aber auch zur Folge, dass der Wissenschaftsbetrieb einen anderen Charakter bekommt. Die konventionelle Theorie verlangt, dass Wissenschaft vorurteilslos, objektiv, emotionslos und wertfrei betrieben wird. Natürlich, man soll nicht von vorgefassten Meinungen, sondern so weit wie möglich von eruierten Fakten ausgehen. Wenn wir aber anerkennen, dass den Phänomenen der natürlichen Welt ein inhärenter Wert zukommt, können wir unmöglich emotionslos und wertfrei operieren. Angesichts der Wünschbarkeit von gesellschaftlichen Änderungen ist die Konsequenz die, dass Humanökologie die Welt nicht bloß deskriptiv, sondern zusätzlich normativ betrachtet.


Schluss

Nach der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro, an der die Idee der nachhaltigen Entwicklung propagiert wurde, herrschte große Aufbruchsstimmung. Diese war aber nach einiger Zeit wieder verflogen. Der vom Schweizer Unternehmer Stephan Schmidheiny (1992) propagierte Kurswechsel der Wirtschaft fand nicht statt. Soweit es seither gute Entwicklungen gab, waren sie meist politisch initiiert, und sie stellen Tropfen auf den heißen Stein dar. Gerade aber wenn das Gefühl, es laufe schief, überwiegt, ist es angezeigt, sich mit Elan für eine Trendwende einzusetzen. Hier ist die Funktion einer Humanökologie im Bildungssystem zu sehen. Sie soll, wie es auf einer Broschüre des College of the Atlantic heißt, das Leben und die Welt verändern!


Literatur

Bargatzki, Thomas (1986), Einführung in die Kulturökologie. Umwelt, Kultur und Gesellschaft. Dietrich Reimer, Berlin.

Boas, Franz (1938). The Mind of Primitive Man. Macmillan, New York (revidierte Ausgabe, Erstveröffentlichung 1911).

Boyden, Stephen (1987). Western Civilization in Biological Perspective. Patterns in Biohistory. Clarendon  Press, Oxford.

Bronfenbrenner, Uri (1981). Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Klett-Cotta, Stuttgart (das amerikanische Original, The Ecology of Human Development, erschien 1979 bei Harvard University Press, Cambridge, MA).

Bubolz, Margaret M. (1991), The Family Ecosystem. Macro and Micro Interdependence. In M. Suzanne Sontag u,a, (Hrsg.). Human Ecology. Strategies for the Future (pp. 26-51). Society for Human Ecology, Fort Collins, CO.

Carson, Rachel (1963). Der stumme Frühling. Biederstein, München (das amerikanische Original, Silent Spring, erschien 1962 bei Houghton Mifflin, Boston).

Ehrlich, Paul R., Ehrlich, Anne H. & Holdren, John P. (1975). Humanökologie. Der Mensch im Zentrum einer neuen Wissenschaft. Heidelberger Taschenbücher 168. Springer, Berlin u.a. (das amerikanische Original, Human Ecology: Problems and Solutions, erschien 1973 bei W.H. Freeman, San Francisco, CA).

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Loening, Ulrich (2025). Harmonise With Nature. Only a change of mindset can reverse cultural habits which counter nature. Paper COHE Conference »Facing the Future: Human Ecology and Higher Education«, Potsdam 2022. To be published 2025 in Human Ecology Review. Preprint  2024 with ResearchGate: Zum Download.

Meadows, Dennis, Donella Meadows, Erich Zahn & Peter Milling (1972). Die Grenzen des Wachstums. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart (das amerikanische Original, Limits to Growth, erschien 1972 bei Universe Books, New York).

Meier-Seethaler, Carola 2011. Ursprünge und Befreiungen. Eine dissidente Kulturtheorie. opus magnum, Stuttgart (2. überarbeitete Auflage).

Meyer-Abich, Klaus Michael (2003). Nachhaltigkeit - die neue Kulturform der Wirtschaft. In Günter Altner, Heike Leitschuh-Fecht, Gerd Michelsen, Udo E. Simonis und Ernst U. von Weizsäcker (Hrsg.), Jahrbuch Ökologie 2004 (pp. 176-191). C. H. Beck, München.

Naess, Arne (1989). Ecology, Community and Lifestyle. Outline of an Ecosophy. Cambridge University Press, Cambridge u.a.

Nentwig, Wolfgang (2005). Humanökologie. Fakten - Argumente - Ausblicke. Springer, Berlin u.a. (2. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Erstveröffentlichung 1995).

Park, Robert Ezra (1952). Human Communities. The City and Human Ecology. The Collected Papers of Robert Ezra Park, Bd. 2. Hrsg.: Everett Cherrington Hughes. The Free Press, Glencoe, IL.

Rockström, Johan u.a. (2023). Safe and just Earth system boundaries. Nature 619(7968), 102-111.

Schmidheiny, Stephan (1992). Kurswechsel. Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt. Artemis & Winkler, München.

Serbser, Wolfgang (2004a). Forschungsgeschichte des symbolischen Interaktionismus / History of Research on Symbolic Interaction. In Ulrich Ammon u.a. (Hrsg.) Soziolinguistics / Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society / Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft, Vol. 1, 1. Teilband (pp. 836-854). Walter de Gruyter, Berlin & New York.

Serbser, Wolfgang (2004b). Human Ecology – Entstehung und Rezeption. In Ders. (Hrsg.). Humanökologie: Ursprünge - Trends - Zukünfte. Beiträge der DGH Jahrestagungen 1999 & 2000 (pp. 121-138). Edition Humanökologie 1. oekom, München.

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Serbser, Wolfgang (2021). Chicago Human Ecology – Eine Einführung (4 Kapitel). Videos, COHE Internationales Online Programm Sommer 2021. Zugang.

Steiner, Dieter (2008). Die moralische Inversion. In Karl Bruckmeier & Wolfgang H. Serbser (Hrsg.). Ethik und Umweltpolitik. Humanökologische Positionen und Perspektiven (pp. 165-184). Edition Humanökologie 6. oekom, München.

Steiner, Dieter (2021). I. Diagnosis: Our Civilization Stands on its Head and is Threatened with Collapse. II. Remedy? Does a »Search for the Primitive« Help to Get on the Feet Again? Videos, COHE International Online Program Summer 2021. Zugang zu I, Zugang zu II.

Steiner, Dieter & Markus Nauser (Hrsg.) (1993). Human Ecology. Fragments of Anti-Fragmentary Views of the World. Routledge, London & New York.

Unuigbe, Ngozi (2023). What can we learn from indigenous ecological knowledge? The Ecological Citizen 6(2), 135-139.

Williams, Lewis, Rose Roberts & Alastair McIntosh (Hrsg.) (2012). Radical Human Ecology: Intercultural and Indigenous Approaches. Ashgate, Farnham, UK, & Burlington, VT.

Young, Gerald L. (1991). Minor heresies in human ecology. In M. Suzanne Sontag, Scott D. Wright und Gerald L. Young (Hrsg.). Human Ecology. Strategies for the Future (pp. 11-25). Society for Human Ecology, Fort Collins, CO.

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[1] Hors sol bedeutet wörtlich »außerhalb des Bodens«. Der Begriff wird für den bodenfreien Gemüseanbau in Gewächshäusern verwendet, bei dem die Pflanzen in Substraten wie z.B. Kokosfasern wurzeln und durch Nährlösungen versorgt werden.

 

 

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Aufruf 2025

Aufruf 2025

Wer interessiert sich für die Übernahme und Weiterführung der anerkannt gemeinnützigen GmbH »Europäisches College der Humanökologie« (COHE)?

 

Wir, Wolfgang Serbser (CEO) und Dieter Steiner, Gesellschafter und Eigentümer des COHE, möchten nach jahrelanger Arbeit ihr Engagement in jüngere Hände geben und suchen deshalb eine Nachfolge.

 

Vor 20 Jahren kam die Idee auf, sich für die Gründung eines Liberal Art-College für Humanökologie einzusetzen. Daraus entstand zunächst eine Studiengruppe der DGH, dann die hier im Fokus stehende gemeinnützige GmbH. Um auf unser Anliegen aufmerksam zu machen, aber auch um selbst neue Wege zu erproben, haben wir neben anderen Arbeiten Summer Schools angeboten und Konferenzen organisiert, das Ziel ein akkreditiertes College der Humanökologie zu etablieren aber bisher noch nicht erreicht.  Dabei steht ein Entwurf für eine Akkreditierung schon bereit.

Für mehr Details siehe den Text »Auf dem Weg zum Europäischen College der Humanökologie«.

 

Es braucht Humanökologie-Studienprogramme, weil die heute an den meisten Hochschulen vorhandenen Angebote zur nachhaltigen Entwicklung vielfach nicht ausreichen. Ein Problem: Sowohl die Ausrichtung der Hochschulen wie auch das Konzept der nachhaltigen Entwicklung sind häufig einer bestimmten tradierten Vorstellung von Volks- und Betriebswirtschaft verpflichtet. Dabei ist die gravierende Umweltdegradierung hauptsächlich ein Resultat der Art und Weise wie unser Wirtschaftssystem funktioniert. Zudem bedarf es  einer konsequenten demokratischen Orientierung auch im ganzen Bildungssystem selbst. Die Humanökologie versucht in Richtung eines sinnvollen, nicht zerstörischeren Lebens der Menschheit auf der Erde zu einem Bewusstseins- und Handlungswandel beizutragen.

Für mehr Details siehe den Text »Zur Humanökologie«.

 

Unser Vorbild ist das College of the Atlantic in Bar Harbor, Maine, USA. Dessen Studienangebot ist völlig interdisziplinär und führt zu einem Abschluss in Humanökologie. Die meisten Kurse werden im Seminarstil gehalten. Projektstudium, Selbstlernen und Praxisorientierung haben einen hohen Stellenwert. Die Collegeorganisation und -administration ist ist völlig demokratisch auf eine Mitwirkung der Studierenden ausgerichtet.

Für mehr Details siehe den Text »Das College of the Atlantic (COA)«.

 

»Die Erdüberlastung wird zu einem Ende kommen, entweder durch unsere Planung oder durch eine Katastrophe«, heißt es jeweils in den Mitteilungen des Global Footprint Network. Unser Bildungssystem ist in dieser Hinsicht gefordert, der Aufgabe aber nicht gewachsen. Es braucht dringend Alternativen.

 

Mehr zu Wolfgang Serbser & Dieter Steiner finden Sie hier.

 

Antworten bitte an: serbser[at]coh-europe.de

 

 

 

 

 

 

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Auf dem Weg zum COHE 2025

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Auf dem Weg zum Europäischen College der Humanökologie

Dieter Steiner & Wolfgang H. Serbser - 2025


Die Idee: Hintergrund, sowie erste Sondierungen und Maßnahmen

Im Gefolge des steigenden Umweltbewusstseins und speziell auch der ersten Umweltkonferenz der UNO in Stockholm 1972 wurden an einer Reihe von Hochschulen in Europa Studienangebote in Humanökologie etabliert. Diese sind bis heute aus zwei Gründen weitgehend wieder verschwunden. Erstens ist die Humanökologie kein traditionell anerkanntes Fach und greift gleichzeitig aber über den üblichen Wissenschaftsbetrieb hinaus. Vertretern einer »reinen« Wissenschaftlichkeit ist dies ein Dorn im Auge. Zweitens ist im Zuge der Ökonomisierung der höheren Bildung, wozu die Einführung des so genannten Bologna-Systems in Europa gehört, die notwendige Beschäftigung mit der Umweltproblematik weitgehend dem Konzept der »nachhaltigen Entwicklung« übertragen worden. Dieses hat kaum den nötigen Tiefgang, weder auf der Seite der Materie (gesellschaftliche Gründe für die gegenwärtige prekäre Lage), noch auf der Seite der Studierenden (Persönlichkeitsbildung).


In dieser Situation kam 2005 beim Soziologen und Humanökologen Wolfgang Serbser die Überzeugung auf, dass die Gründung eines College für Humanökologie im europäischen Raum unbedingt nötig sei. Anlass dazu waren seine Erfahrungen aus der Hochschulreform deutscher Universitäten und seine federführende Mitwirkung an neuen Studiengängen an der Technische Universität Berlin und Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, in denen so manche Errungenschaft, wie z.B. Projektstudium und praktische Feldstudien verloren gingen. Anlass war aber insbesondere die bei etlichen Besuchen am College of the Atlantic (COA) in den USA gewonnenen Eindrücke, das dort gelebte Praxis war, was in der Reform der deutschen Studiengänge als nicht machbar galt (vgl. den Text »Das College of the Atlantic (COA): Unser großes Vorbild« und Steiner 2011). Als organisatorisches Gefäß konstituierte sich innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie (DGH) die Studiengruppe College of Human Ecology and Liberal Arts. In ihr wurde unter der Leitung von Serbser die Projektentwicklung in Angriff genommen. Es wurden Kontakte zum COA etabliert und Überlegungen zu möglichen Standorten für ein europäisches College angestellt: In Deutschland eine Nordseeinsel, Rügen in der Ostsee oder die Biosphäre Spreewald südlich von Berlin, in der Schweiz die Biosphäre Entlebuch (westlich von Luzern) oder das Pays d’Enhaut (Kanton Waadt). Ein Gründungsaufruf in Englisch erschien in der Zeitschrift GAIA (Serbser & Mrzljak 2006, für die deutsche Version siehe Aufruf 2006). Für eine Begründung siehe auch Ein College der Humanökologie in Europa.


Am 13. September 2007 fand an der TU Berlin ein internationales DGH-Symposium unter dem Titel »Perspektiven der Humanökologie und Hochschulbildung in Deutschland und der Schweiz« statt. Unter der Moderation des Studiengruppen-Mitglieds Parto Teherani-Krönner von der Humboldt-Universität kamen weitere Aspekte der Etablierung eines College zur Sprache. Dabei gab der damalige Präsident des COA, David Hales, eine Unterstützungserklärung ab (siehe dazu Serbser & Mrzljak 2007. Hier finden sich auch Angaben über die ersten Arbeiten der Studiengruppe). Eine College-Gründung war auch das Thema eines Symposiums mit dem Titel Directions in human ecology education – a core human ecology curriculum? an der 17. Internationalen Konferenz der Society for Human Ecology (SHE)[1] in Manchester, 2009. Dabei kam es zur Formulierung einer Deklaration. Siehe Manchester Declaration.


Konzentration auf Emmendingen

Nun gab es aktive Interessensmeldungen aus zwei Regionen: Aus dem Raum von Freiburg i.Br. und aus Weißenburg in Bayern. Im ersteren gab es Kontakte zur Regionalwert AG in Eichstetten mit Blick auf einen möglichen zukünftigen Lehr - und Forschungsschwerpunkt ökologischer Landbau. Nach ermunternden Gesprächen mit dem Oberbürgermeister rückte aber die Stadt Emmendingen nördlich von Freiburg i.Br. in Baden-Württemberg als bevorzugter Standort ins Blickfeld, da die Region vielfältige Anknüpfungspunkte für einen praxisorientierten Studiengang bot. Dort fand dann im Februar 2011 auch ein viertägiger öffentlicher Planungsworkshop vom Typus Charrette statt. Dabei waren auch Ernst Ulrich von Weizsäcker, der spätere Co-Präsident des Club of Rome und Nader Maleki, Vorsitzender des Kommunikationsunternehmens Maleki Corporate Group und des International Bankers Forum (IBF). Der Stadtplaner Harald Kegler und das Architekturbüro Duane Phillips stellten sich für die Themen Stadt, Region und Wirtschaft bzw. Architektur, Objektplanung und -kosten zur Verfügung. Einen den Collegebetrieb betreffenden Finanzierungsplan hatte Wolfgang Serbser schon früher erstellt und auch den Raumbedarf ermittelt. An der Charrette wurden mögliche Standorte für das College (Umnutzung bestehender Gebäude oder Neubauten) begutachtet, mögliche Inhalte des Studienprogramms diskutiert und ein Förderverein Emmendinger Bürger gegründet. Die Ergebnisse wurden schließlich in einer öffentlichen Veranstaltung den Vertretern der Stadt überreicht. Siehe Ergebnisse der Charrette. Zum Stand der Arbeiten der Studiengruppe bis 2011 siehe Steiner 2011.


Im November des gleichen Jahres fand in Emmendingen auch die dreitägige Jahrestagung des Council of European Urbanism Deutschland (CEUD) statt. Da wurden die Ergebnisse der genannten Charrette diskutiert und um Empfehlungen aus den Perspektiven der Stadtentwicklung ergänzt. Im Mai 2012 folgte das First International College Forum in Frankfurt mit dem Titel Liberal Arts and Science. Education for Agents of Transition. Damit war das College Projekt offizieller Teil des von der Maleki Group organisierten Global Business Week 2012 in Frankfurt am Main. Das Forum hatte ein internationales Publikum. Neben College- und Humanökologie-Interessierten aus dem Ausland und Mitgliedern der DGH, waren auch Fakultätsmitglieder des COA anwesend.. Zum Stand der Planung in diesem Zeitpunkt siehe den 2015 erstellten Aufruf und Flyer.


Kontakte zwecks Kooperation

Ursprünglich war ein ähnliches Vorgehen wie in Emmendingen auch für Weißenburg geplant gewesen. Wegen Unpässlichkeiten kam es aber zu einer Verschiebung. Da inzwischen aber klar war, dass wir uns voll auf Emmendingen konzentrieren wollten, wurde die Option Weißenburg nicht weiter verfolgt. Nun galt es nach Kooperationspartnern Ausschau zu halten. Dank der Vermittlung von Ernst Ulrich von Weizsäcker kam ein Kontakt zur Universität Freiburg zustande. Die dortige Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen zeigte Interesse. Zur Humboldt-Universität in Berlin ergaben sich Kontaktmöglichkeiten über unser Initiativmitglied Parto Teherani-Krönner, die dort als Sozialwissenschaftlerin mit den Spezialgebieten Geschlechterforschung in ländlichen Räumen und Mahlzeitenkultur tätig war.

Von entscheidender Bedeutung war aber die Einstellung des COA zu unserem Projekt. Dieses sagte eine Kooperation zu, und das war wichtig im Hinblick auf eine Lösung des Problems der Akkreditierung, denn bis in Deutschland eine solche möglich wäre, würde es einige Jahre dauern. Eine diskutierte Möglichkeit war, für das europäische College mit Unterstützung des COA eine Akkreditierung im Staate Maine, USA, zu erlangen, eine andere, den Studierenden zu ermöglichen, die letzten zwei Jahre des Bachelor-Programms am COA zu verbringen und dort zu einem Abschluss zu kommen. Wichtig war und ist auch der Kontakt zur mit dem COA eng verbundenen SHE. An deren internationalen Konferenzen hatte Wolfgang Serbser jeweils Gelegenheit, in  Sitzungen, die sich der humanökologischen Hochschulbildung widmen, seine Gedanken über neue Entwicklungen einzubringen, über die Pläne für ein europäisches College zu berichten (siehe als Beispiel Serbser 2016) und damit neue Kooperationen einzuwerben.


Sommeruniversitäten

2013 wurde beschlossen, in Emmendingen zweiwöchige Sommeruniversität anzubieten. Dies erfolgte aus zwei Gründen: Erstens um den Bekanntheitsgrad des College-Projektes zu steigern und zweitens zum Experimentieren mit einem praxisorientierten, an der Idee des Reallabors orientiertem Lehrkonzept. Die erste Sommeruniversität fand 2015 unter dem Titel The Future of Food Sustainability und mit der Unterstützung des COA durch die Mitwirkung der dort Lehrenden Ökologin Molly Anderson statt. Die Studierenden hatten Gelegenheit, verschiedene Betriebe aus der Umgebung in der Praxis kennenzulernen und einen davon als Partner für ihre Projektarbeit auszuwählen. Ziel war es, ausgewählte Zukunftsaufgaben dieser Partner in praxisorientierten Entwicklungsprojekten zu bearbeiten und umzusetzen. Je eine Gruppe befasste sich dann mit dem Demeter Landwirtschaftsbetrieb Querbeet, der Weinmanufaktur Mario Burkhart, sowie der Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG. Die Arbeit bestand in Lektüre, Diskussionen, Interviews, teilnehmender Beobachtung und Mitarbeit. Die Ergebnisse wurden in Berichten festgehalten, und die Projektarbeit wurde auf einer öffentlichen Abschlussveranstaltung mit Postern und Kurzpräsentationen vorgestellt. Siehe dazu das Konzept 2015, das Charrette-Buch 2015 und den Bericht von Teherani-Krönner u.a. 2015.


Eine zweite derartige Sommeruniversität wurde im nächsten Jahr angeboten, jetzt zum Thema The Future of Sustainable Food Business. Wiederum bekamen wir Unterstützung vom COA, diesmal in der Person des auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Betriebsökonomen Jay Friedlander. Und auch diesmal stellten sich wieder regionale Unternehmen als Partnerbetriebe zur Verfügung.

Es bildeten sich fünf Gruppen, die sich den fol-genden Aufgaben widmeten:
1) Herstellung einer digitalen Karte der weit verstreuten Felder des Querbeet-Landwirtschaftsbetriebs;
2) Vorschläge für eine verbesserte Investitionsstrategie der Regionalwert AG;
3) Ex-periment mit einer neuen Methode der Herstellung von Tofu und Überlegungen zu neuen Marketingstrate-gien für die Firma Taifun Tofu;
4) Entwicklung eines Marketingkonzepts mit dem Ziel der Vermehrung der Zulieferer von Ziegenmilch für die Ziegenkäse produzierende Firma Monte Ziego;
5) Vorschläge zur Gestal-tung eines Bienenhaltung ermöglichenden städtischen Gartens auf dem Betriebsgelände des auf Umwelt-technik spezialisierten Industriebetrieb Wehrle Werk.

Siehe dazu das Konzept 2016. das Charrette-Buch 2016 und die Berichte von Schmidtsdorf und Serbser 2016 sowie Serbser 2016.


Eine dritte Sommeruniversität wurde 2018 durchgeführt und handelte von Urban Concepts in Sustainable Transition. Dabei wurde in Absprache mit der Stadt ihr ehemaliger Festplatz, der inzwischen zu einem Massen-Parkplatz heruntergekommen war, in den Blick genommen. Unter Leitung von Duane Phillips, der schon an der Charrette 2011 federführend mitgewirkt hatte, erhielten die Studierenden die Aufgabe, für dieses Gelände einen Masterplan für ein nachhaltiges, klimaneutrales und resilientes Quartier zu entwickeln. Das passte bestens zur Absicht der Stadt, ab dem nächsten Jahr eine Stadtklimaanalyse und danach ein Anpassungskonzept für eine klimagerechte Stadt zu entwickeln. Die Studierenden planten nicht nur Wohneinheiten, Büros, Gärten, kulturelle Einrichtungen und integrierte Infrastrukturen für Mobilität und Erholung, sondern auch das Hauptgebäude für unser geplantes College. Darüber hinaus entwickelten die Studierenden verschiedene den Folgen des Klimawandels widerstehen-de Element für das Quartier.Von besonderer Bedeutung war die Arbeit von drei Studierenden, die ein Konzept entwickelten, wie die Räume einer zukünftigen Hochschule gekühlt werden könnten, ohne dabei energieintensive Klimaanlagen nutzen zu müssen. Sie machten sich die jahrhundertealte orientalische Tradition des Windturms zunutze, der Kühlung und Querlüftung ohne den Einsatz zusätzlicher Energie ermöglicht.

Die Ergebnisse wurden unter großer Beteiligung der Emmendinger Bevölkerung am Ende der Sommeruniversität vorgestellt und führten zu dem Vorhaben, dass die Stadt auf der Basis der genannten Arbeiten im Rahmen der »Nationalen Projekte des Städtebaus (NPS)« des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen einen Förderantrag einreichen sollte. Das kam aber aus lokalpolitischen Gründen letztlich nicht zustande. Seither ist das Projekt »College« in Emmendingen aufs Eis gelegt. Siehe dazu das Konzept 2018. das Charrette-Buch 2018 (das genannte Windturm-Konzept wird auf den Seiten 26 bis 30 dargestellt) und den Bericht von Serbser und Hofmann 2018.

Die Ergebnisse der Sommeruniversitäten wurden in zwei Ausstellungen in Emmendingen gezeigt, 2017 für die ersten zwei, 2018 für alle drei. Die Ausstellung wanderte anschließend 2020 nach Sommerhausen (DGH-Jahrestagung) und 2022 zur Potsdamer Konferenz.


Organisatorisches und Studienplan-Entwicklung

Schon 2013 war ein Beirat aus prominenten Personen aus Wissenschaft und Kultur unter dem Vorsitz von Ernst-Ulrich von Weizsäcker gebildet worden. 2017 entstand aus der vorherigen DGH-Studiengruppe die unabhängige gemeinnützige GmbH »Europäisches College der Humanökologie gGmbH« (Abkürzung COHE). Als Gesellschafter fungierten der Soziologe und Humanökologe Wolfgang Serbser, der ökologisch orientierte Ökonom Klaus Markus Hofmann, der Agrar- und Umweltsoziologe Andreas Nebelung und der Geograf und Humanökologe Dieter Steiner. Die beiden erstgenannten teilten sich in die Geschäftsführung. Die oben genannte Sommer-Uni 2018 war ein erstes Projekt. Es folgte die Ausarbeitung eines Master-Studienplanes »Humanökologie und Philosophie sozialer Innovation« für die Alanus-Hochschule in Alfter bei Bonn, nachdem Vertreter dieser Institution ihr Interesse bekundet hatten. Siehe dazu den Entwurf eines Modul-Handbuches. Leider ist diese Studienmöglichkeit bis jetzt nicht aktiviert worden. Deswegen wurde die Idee verfolgt, statt eines College zunächst eine kleinere Institution zu etablieren, die wir Akademie nannten. Sie hätte als Informationszentrum dienen, Studienpläne entwickeln, Kurse anbieten, Vernetzungen fördern und allgemein für die Existenz einer Humanökologie werben können. Kontakte zu einer Stiftung verliefen leider im Sande. 2021 traten Andreas Nebelung und Markus Hofmann aus der gGmbH aus, der erstere, weil er sich anders orientieren wollte, der letztere aus gesundheitlichen Gründen. Wolfgang Serbser führte die Geschäftsleitung weiter und entwickelte zusammen mit Dieter Steiner den Akademiegedanken.


Internationales Online-Programm 2021

Im Sommer 2021 - es war noch die Zeit der Einschränkungen wegen der Covid-19-Pandemie – wurde anstelle einer weiteren Sommeruniversität ein Online-Programm organisiert. Es gab einen Aufruf, Videos zur humanökologischen Themen zu produzieren und einzureichen. Diesem kamen eine ganze Reihe von Personen nach, und entstand eine Sammlung von 14 Beiträgen, teils deutsch, teils englisch. Zur Aktivierung des Portals, das zu ihnen führt, war zunächst eine Registrierung erforderlich. Mittlerweile sind alle Präsentationen unter Beachtung akademischer Nutzungsbedingungen frei zugänglich. Am 20. August fand dann ein Zoom-Treffen unter dem Titel Human Ecology – Basic Knowledge for Agents of Transition statt. Den Mitschnitt der Beiträge zu dieser Veranstaltung findet man via Online-Konferenz 2021. Sie diente auch als Vorstufe zu der großen internationalen Konferenz in Potsdam 2022.


Internationale hybride Konferenz 2022

Diese Konferenz wurde unter dem Titel Facing the Future. Human Ecology and Higher Education vom 31. August bis zum 3. September 2022 in Potsdam durchgeführt. Dazu wurden Konferenzziele formuliert. Die Konferenz hatte nun ein hybrides Format, d.h. die Teilnahme war zum Teil live, zum Teil online). Co-Präsident der Konferenz war Ortwin Renn, damals Direktor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS, heute Research Institute for Sustainability = RIFS). Er stelle die benötigten Räumlichkeiten und die technische Infrastruktur zur Verfügung. Als Aufruf zur Teilnahme diente ein Themenpapier. Insgesamt nahmen um die 100 Personen von allen Kontinenten teil und offerierten um die 60 Präsentationen, die in 16 Themenblöcken vorgestellt und diskutiert wurden. Zu den Themen gehörten: Impact of Climate Change, Agenda 2030, War and Politics, Transdisciplinarity, STEM Education, Digitalization, Systems Theory, Environmental Education, Environmental Justice, Food Security, Meal Culture, Studium Generale, Social Innovation, Art of Living, Harmony with Nature and Radical Human Ecology (siehe Programm 2022).

Lehrreich waren Beiträge von außereuropäischen Hochschulen, speziell von den Philippinen, an denen eine stark praxis-orientierte Humanökologie Teil des Studienangebotes ist. Abgerundet wurde die Konferenz durch Key-Note-Ansprachen von:
Ernst Ulrich von Weizsäcker, jetzt Ehrenpräsident des Club of Rome;
Richard Borden, langjähriger Dean des College of the Atlantic;
Lene Rachel Andersen, dänische Ökonomin, bekannt geworden durch ihr Buch Bildung, Keep Growing, Bericht an den Club of Rome;
Jennifer Amparo, Professorin am College of Human Ecology und Assistant Vice Chancellor an der University of the Philippines, Los Banos;
Thomas Schmaus, Professor für Philosophie an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn;
und schließlich
Johan Rockström, Professor am Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) und Mit-Vorsitzender der Earth Commission, einer Vereinigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die versuchen, einen sicheren und gerechten Zukunftsweg für die Menschen und den Planeten zu definieren. Rockström veröffentlichte auf der Konferenz den gerade erschienen neuen Bericht an den Club of Rome „Earth for all“ in seinem Abschlussvortrag.

Für die meisten Präsentationen finden sich Mitschnitte auf der COHE-Website. Elf Personen erklärten sich bereit, ihren Beitrag in schriftliche Form zu fassen. So liegen nun insgesamt 13 Artikel vor, die in der Human Ecology Review (HER), dem Organ der Society for Human Ecology publiziert werden. Siehe den Bericht von Serbser & Steiner 2023.


Europäisches Netzwerk

An der genannten Konferenz gab es einen Aufruf zur Bildung eines Europäischen Netzwerkes der Humanökologie. An Humanökologie interessierte Personen sollen sich finden, miteinander kommunizieren und eventuell Möglichkeiten der Kooperation entdecken können. Inzwischen hat Sara Löwgren, eine Doktorandin an der Universität von Linköping in Schweden, eine führende Rolle übernommen. Sie tut das unabhängig vom COHE, aber im Kontakt mit ihm. Sara Löwgren hat einen BA in Human Ecology vom College of the Atlantic, studierte für einen MA in Global Studies an der Universität von Göteborg (Schweden) und promoviert nun in Linköping im Department of Thematic Studies zum Thema How can better futures be shaped in rural areas in the age of climate change? (Siehe Sara's website http://sara.lowgren.info/). Unter der Bezeichnung »Thematische Studien« werden in Linköping gesellschaftliche Fragen angegangen, die eine interdisziplinäre Behandlung erfordern. In Kooperation mit Mihnea Tănăsescu an der Universität von Mons (Belgien) und Vasna Ramasar an der Universität von Lund (Schweden) organisiert Sara auch Online-Humanökologie-Seminare. Kontakt: sara.lowgren[at]liu.se.


Erinnern wir uns hier, dass einst eine European Association for Human Ecology (EAHE) existierte. Das neue Netzwerk soll die einst existierende European Association for Human Ecology (EAHE) ersetzen. Diese war 1988 gegründet worden und umfasste Personen, die Universitäten oder Gesellschaften aus Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien, Niederlande, England, Schweden und der Schweiz vertraten. Schon vorher, seit 1973, gab es eine Übereinkunft zwischen einer Reihe von Hochschulen unter den Auspizien des regionalen Bureaus der World Health Organization (WHO) in Kopenhagen, die die Möglichkeit des Erwerbs eines International Certificate in Human Ecology betraf. Dabei handelte es sich um ein Postgraduierten-Studium in Humanökologie. Die Idee war, damit die interuniversitäre Kooperation auf diesem Gebiet zu fördern. Die Koordination dieses Netzwerkes wurde vom von Luc Hens und Charles Susanne betreuten Centre Européen d’Ecologie Humaine an der Freien Universität in Brüssel geleistet. Siehe dazu Hens, Susanne & Devuyst 1989, Hens 1991a und 1991b, Hens 1994 und Hens & Devuyst 1994. Mit dem Rücktritt entscheidender Personen und thematischen Umorientierungen an den Hochschulen ist dieses alte Netzwerk in der Folge wieder verschwunden.


Schluss

Die Gründung des Europäischen College der Humanökologie hatte sich von Anfang an das Ziel gesetzt, die europäische Vernetzung der Humanökologie nicht nur ideell zu fördern, sondern auch organisatorisch einen Ort zu schaffen der dem europäischen Gedanken ganz praktisch Rechnung tragen kann. Wenn auch ein akkreditierter Studiengang Humanökologie noch nicht geschafft und ein Campus noch nicht errichtet werden konnte, so sind in den letzten Jahren viele erfolgreiche Schritte in dieser Richtung geleistet worden. Das Europäische College der Humanökologie bietet die rechtliche, administrative und praktische Voraussetzung diesem Ziel weiter nachhaltig zu verfolgen. Dabei bietet der in Deutschland fundierte Status der Gemeinnützigkeit steuerlich und rechtliche Vorteile und damit eine hervorragende Ausgangslage für eine gesamteuropäische, internationale Entwicklung der Humanökologie. Das ist das Erbe und der Schatz, den die bisherigen Arbeiten am und für das College der nächsten Generation übergeben wollen.

 

Literatur

Hens, Luc (1991a). International Networking Strategies in Human Ecology in Europe: The Brussels’ Experience. In M. Suzanne Sontag, Scott C. Wright & Gerald L. Young (Hrsg.). Human Ecology. Strategies for the Future. Selected Papers from the 4th Conference of the Society for Human Ecology, Michigan State University, April 20-22, 1990 (pp. 255-264). Society for Human Ecology, Fort Collins, CO.

Hens, Luc (1991b). Inter-University Cooperation on Human Ecology in Europe. In Shosuke Suzuki, Richard J. Borden & Luc Hens (Hrsg.). Human Ecology - Coming of Age: An International Overview (pp. 91-114). VUB Press, Brüssel.

Hens, Luc (1994). Networking in Human Ecology in Europe. Environmental Management and Health 5(2), 11-14.

Hens, Luc & Dimitri Devuyst (1994). Human ecology: The European perspective. Human Ecology Review 1(2), 326-334.

Hens, Luc, Charles Susanne & Dimitri Devuyst (1989). Interuniversity Cooperation on Human Ecology as Organized by the „Centre Européen d’Ecologie Humaine. In Charles Susanne, Luc Hens & Dimitri Devuyst (Hrsg.) Integration of Environmental Education into General University Teaching in Europe (pp. 335-343). UNESCO-UNEP, Paris & Vrije Universiteit Brussel, Brüssel.

Schmidtsdorf, Julie & Wolfgang H. Serbser (2016). Sustainable Food Business im Fokus der zweiten Sommeruniversität. GAIA 25(4): 294-295.

Serbser, Wolfgang H. (2016). DGH international - Sommeruniversität 2016 und SHE-Konferenzen. GAIA 25(2): 137-138.

Serbser, Wolfgang H. & Klaus Markus Hofmann (2018): Humanökologisches Reallabor für Klimafolgenanpassung in Emmendingen. GAIA 27(4): 402-404.

Serbser, Wolfgang & Jadranka Mrzljak (2006). A College of the Atlantic for Europe. GAIA 15(4): 307-309.

Serbser, Wolfang & Jadranka Mrzljak (2007). A College of Human Ecology for Europe. GAIA 16(4): 304-306.

Serbser, Wolfgang & Dieter Steiner (2023). Facing the future: Human ecology and »Bildung«. GAIA 32(1): 202-203.

Steiner, Dieter (2011). Der Weg zu einem europäischen College für Humanökologie. GAIA 20(4): 284-285.

Teherani-Krönner, Parto, Wolfgang H. Serbser & Dieter Steiner (2015). Sommeruniversität Zukunft nachhaltiger Ernährung. Ein Schritt in Richtung Europäisches College für Humanökologie. GAIA 24(4): 286-288.

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[1] Die SHE ist in den USA ansässig, aber international ausgerichtet.

 

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Konferenz Mitschnitt

 

Konferenz Aufzeichnung 2022


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 September 1st, 2022 Keynotes, Sessions & Discussions
   
 September 2nd, 2022 Keynotes, Sessions & Discussions
   
 September 3rd, 2022 Keynotes, Sessions & Discussions