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Sommerhäuser Erklärung 2007
Presseverlautbarung
Bildungsinitiative Humanökologie – Schwerpunkt Hochschulbildung
1. Die Existenz des Menschen ist unmittelbar vom Zustand der Natur abhängig. Breiter Einsatz von Technologien ermöglicht ihm deren effiziente Nutzung. Die gesellschaftliche Entwicklung wird durch ökonomische, kulturelle, soziale und politische Faktoren gesteuert. Dabei sollte ein flexibles Gleichgewicht dieser Faktoren gewahrt bleiben, weil wir sonst in Gefahr sind, dass bei weiterer einseitiger Verfolgung technisch-ökonomischer Ziele unsere Lebensgrundlagen zerstört werden. Genau das wird in der international angelegten Diskussion um die nachhaltige Entwicklung thematisiert, die zur globalen Aufgabe erklärt worden ist. Das spiegelt sich nicht nur in der Definition unmittelbarer Handlungsziele, sondern auch in der Formulierung einer anzustrebenden Ausbildung von Fachleuten zu Fragen der nachhaltigen Entwicklung und der Etablierung entsprechender Hochschul-Studienprogramme wider. Wenngleich diese Bemühungen bereits einige Fortschritte erkennen lassen, bringt die schnelle Änderung der Problemlagen im Umweltbereich die Gefahr mit sich, dass sie nach kurzer Zeit durch die Realität überholt werden. Die aktuelle Einsicht in die Faktizität des Klimawandels etwa zeigt die Notwendigkeit, rasch global umfassende umweltpolitische Handlungsstrategien zu implementieren.
2. Die gegenwärtig ablaufende grundlegende Anpassung der Hochschul-Studiengänge zu international anschlussfähigen Bachelor- und Masterstudiengängen im Rahmen des Bologna-Prozesses führt in der Praxis zu einer äußerst bedenklichen Verschulung der Ausbildung. Trotz der prinzipiellen Flexibilität der modularen Struktur der Studiengestaltung wird zu sehr auf gegenwärtig attraktiv anmutende Exzellenz-Studiengänge und Eliteeinrichtungen abgezielt. Die Wahlwünsche der Studenten sind wegen der straffen Curricula und wegen der Studiengebühren kaum mehr umsetzbar.
3. Die Konsequenz der beiden genannten Problemkreise ist, dass die Strategien der Bildung und Ausbildung grundsätzlich überprüft werden müssen. Hier kann die Humanökologie, die als interfakultäre Wissenschaft der Mensch-Umwelt-Beziehungen bereits seit über 30 Jahren Kompetenzen erarbeitet hat, die auch in Forschung und Lehre eingeflossen sind, ihre Erfahrung einbringen. Eben hat sich die Deutsche Gesellschaft für Humanökologie (DGH) an einer international ausgerichteten Tagung in Sommerhausen (10. – 12. Mai 2007) mit den Problemen der Gestaltung der Hochschulausbildung zum Thema nachhaltige Entwicklung beschäftigt. Dabei standen die Schwierigkeiten, integrierte und nicht nur additive Studiengänge zum Thema Mensch, Natur, Soziales und Kultur zu implementieren, im Vordergrund. Die fakultäre Struktur der Hochschulen, die eine Trennung der Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften mit sich bringt, und die häufig zu beobachtende Praxisferne der Studiengänge erschweren es den Absolventen, die erforderliche praxisrelevante Kompetenz zu Fragen der nachhaltigen Entwicklung aufzubauen. Der ständige Wandel der Umweltprobleme und die unterschiedlichen Problemakzente erfordern es, dass Fachleute für nachhaltige Entwicklung nicht nur über die Fähigkeit der multidisziplinären Problem-Analyse, sondern auch über Gestaltungskompetenzen verfügen. Dies ist umso wichtiger, als Studiengänge für Umweltwissenschaften selbst an kleineren Universitäten ein Schattendasein führen.
4. Aufgrund dieser unbefriedigenden Situation an den Hochschulen hat die DGH eine Studiengruppe eingerichtet, die die Möglichkeiten der Etablierung eines eigenständigen und praxisorientierten Studiengangs Humanökologie, etwa im Sinne eines europäischen Kollegs für Humanökologie, untersucht. Dabei stehen nicht nur Fragen der fachlichen Gestaltung des Curriculums, sondern auch der Organisation des Studiums, der Akkreditierung der Einrichtung, der beruflichen Optionen der Absolventen, der Auswahl des Lehrpersonals und nicht zuletzt der Finanzierung und der Einbindung in die internationalen Hochschulstrukturen im Zentrum der Betrachtungen. Die Diskussion orientiert sich an dem seit 30 Jahren tätigen nordamerikanischen „College of the Atlantic“, Bar Harbor, Maine, und seinem erfolgreichen Studienprogramm der Humanökologie. Dieses regt an, über die folgenden Aspekte einer humanökologischen Hochschulausbildung nachzudenken:
- Methodenausbildung im Bereich Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften einschließlich künstlerischer Techniken und Medien der Gestaltung;
- wesentliche Inhalte wissenschaftlicher und künstlerischer Fragestellungen von Natur, Umwelt und Gesellschaft;
- Kompetenzen im systemischen Denken und Handeln;
- Entwicklung individueller Kompetenzen zum lebenslangen Lernen, zum Bürgerengagement, zur verständigungsorientierten Kommunikation, zum gemeinsamen kreativen Problemlösen, zum verantwortungsvollen, kritischen Denken und zum Bewusstsein für die Grenzen des Wissens.
Die Mitglieder der Studiengruppe „College of Liberal Arts and Human Ecology“ der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie (DGH)
Sommerhausen 12. Mai 2007
Prof. Dr. Wolfgang Haber, Weihenstephan |
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